6 x 2 Wege in Situ

Das Entrée
Schönhauser Allee, Senefelder Platz: Hart den Hang hinauf erhebt sich eine doppelte Arkadenreihe, die Fassade des Pfefferbergs. Ein altgedientes Dienstleistungsgesicht, immer parteiisch und immer wetterfühlig. Die Haare keck zu Amphoren gesteckt, erzählte es fließend von Wohlstand, tafelte Schokolade und spuckte jede Menge Kommisbrote an die Front. Heute trägt es Graffitybart und reagiert auf indiskrete Fragen mit gelassener Schwerhörigkeit.
Die Straße ist laut, es trappelt und an der Fassade entsteht ein Skrabble.

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Der Übergang
Der Pfefferberg ist ein denkmalgeschütztes Berliner Arbeits- und Vergnügungslokal, die Verbindung zwischen beiden Seiten ein Nadelöhr. Abstoßungs- und Vermischungserscheinungen bleiben nicht aus. Die zur Zeit häufigsten Symptome nennt man Pfefferföhn und Bergschnupfen. Sie gelten als temporär und im Verlauf harmlos.
Holz auf Glas auf Stein, knirsch.

Das Archiv
Der Pfefferberg ist hohl, er bietet auch unterhalb der sichtbaren Linie Raum: Ausladende Kellergewölbe, dunkel, kühl, leer. Ihrer einstigen Funktion enthoben sind sie nun der Verweis auf die Vergangenheit des Geländes, ein Archiv: Was sich länger unten befindet verschwindet unter einer Kalksschicht-
kratzen muss jeder selbst.

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Roundabout
der Pfefferberg ist ein Kreuzung mit zwei Sackgassen. Eine Sackgasse ist ein Schrottplatz, die andere ein Kreisverkehr. Der verbleibende Durchgang ist planmäßig umgeleitet und nur einige Stunden des Tages geöffnet. In den angrenzenden Gebäuden wurde und wird produziert, wechselnd Bier, Schokolade, Druckerzeugnisse und zu jeder Zeit Träume.
Im Roundabout erwartet jeden etwas anderes nach gleichen Regeln, den Regeln der Produktion.

Restauration
Der Pfefferberg ist ein Entwicklungsland. Die Brauer überließen es den Konditoren, die Bäcker standen für die Kriegsproduktion Schmiere; die Keller, so erzählt man, waren in den Bombennächten Schutzraum für Berliner und Kerker für Zwangsarbeiter. Nach dem Krieg wuchsen Bäume, Großküchen und Druckmaschinen, Betriebe standen Schulen Pate, Neues suchte Platz und wurde aufbewahrt. Nach der Wende wurde weggeschmissen, auch die Pläne. Jetzt wird neu geplant, die Szene neu besetzt. Unter unsicheren Vorgaben.
Die Fassade lacht über sechs grüne Backen und in der Ruine konkurrieren Tapetenschlösser.

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Der Markt
Der Pfefferberg. Platz 335 und 347 auf Liste 3, Vermögenswerte von Kriegsverbrechern und Naziaktivisten. Enteignet nach dem Krieg. Zur Kulturfabrik modelliert vor und symbolisch besetzt nach der Wende. Bis zum Verkauf in Scheibchen öffentlich vermietet an viele. Inflation.
Inflationen sind nützlich, viele wollen alles und mehr, ein Gärprozess ein Rausch.
Der Markt: 500 Gedenken zum Pfefferberg - 500 Eindrücke von Zuschauern der Tanztage - gesammelt, aufgegriffen und dargestellt von Firmen und Initiativen, die auf dem Pfefferberg heute zur Miete sind.

Co-Produktion l'autre pas und Pfefferwerk e.V. anlässlich der 3. Tanztage 1997

Dank an die engagierte Auftraggeberin Barbara Friedrich.

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